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Form folgt Funktion folgt Freiheit

Felix Kosok hat die 069-Ästhetik und den Babo-Begriff ins Design übersetzt (und auf T-Shirts gedruckt). Er ist eindeutig ein herausragender Graphic Designer und womöglich ein noch größerer Stuff-Doer. Aber er ist auch ein ‘Design Thinker’ – das hat er mit seinem Buch “Form, Funktion und Freiheit” bewiesen. Darin geht es um nichts weniger als um das Verhältnis von Design und Demokratie. Feels like Anlass für ein theoretisches Gespräch.

Foto: Robert Schittko

Die große Frage zuerst: Was haben Design und Demokratie miteinander zu schaffen? Geht es hier um Teilhabe im Sinne von Inklusion (Leichte Sprache, Barrierefreiheit etc.)? Oder ist die Annahme völlig falsch.

Völlig falsch liegst du mit der Vermutung natürlich nicht. Es ist selbstverständlich auch naheliegend, an demokratisches Design im Sinne der Inklusion und Barrierefreiheit oder an das Design demokratischer Institutionen oder Prozesse zu denken. Das sind alles wichtige Felder, die große Relevanz haben. Aber macht dies Design bereits demokratisch? Ich interessiere mich für eine tiefer liegende Dimension allen Designs, die nicht nur das System am Laufen hält, wenn man so will, sondern die grundlegenden Strukturen unseres Lebens gestaltet. Demokratisch ist Design für mich dann in einem ästhetisch-politischen Sinn, indem es die Veränderbarkeit dieser Strukturen durch Design präsent hält. Gutes Design ist demokratisch, weil es uns zeigt, dass wir alles auch anders gestalten könnten. Am Beispiel des SIELNECE=DEATH Plakates zeige ich auf, wie gutes und in diesem Sinne demokratisches Design dazu führen kann, dass eine neue politische Subjektivität entsteht, deren Erscheinen zu einer Veränderung der gesamten politischen Bühne führt.

Worin unterscheidet sich Design von Kunst?

Das wesentliche Merkmal des Design im klaren Unterschied beispielswiese auch zur Kunst ist die Funktion. Design ist an praktische Zwecke gebunden. Kunst entzieht die Dinge diesen Zwecken regelrecht. Interessanterweise arbeiten beide aber an einer gemeinsamen Sachen, wenn man so will. Kunst hinterfragt die Zwecke des Alltags, Design will sie neu gestalten und verändern. Ich denke, in dieser Beschreibung ließen sich auch Verbindungen zwischen Design und Sprache ziehen, die ich allerdings nicht als bloßes Zeichensystem beschreiben würde. Sprache ist auch eine Praxis, die vom Gebrauch und von der Veränderung lebt.

Die interessante Geschichte hinter diesem Plakat erfahrt ihr hier (wikipedia, klar)

Warum hat Ornamentik im Design so einen schlechten Stand?

Das hat viel mit der modernen Fokussierung auf die Funktion zu tun. Die Form wurde immer als etwas Nachträgliches, Künstliches und gefährlich Modisches verstanden, während die Funktion schon quasi Natur war. Hieraus leitete sich eine Hierarchie aus "form follows function" ab, die alles Oberflächliche und Ornamentale aus dem Design raus halten wollte. Dabei gibt es die Funktion ja gar nicht ohne eine besondere Form, in der sie gestaltet wird. Die Form bestimmt zu weiten Teilen mit, was die neu gestaltete Funktion sein wird. Deswegen ist Formgebung ja auch so ein schönes Wort. Ganz präzise kann man hier nicht mehr trennen, was bloßes Ornament und was wesentlicher Teil ist. Es bleibt trotzdem eine spannende Aufgabe und eine Herausforderung an das Design, beide Seiten immer zusammen zudenken.


Jetzt stellt sich mir die spannende Frage, was ist undemokratisches Design?

Das lässt sich relativ leicht beantworten: Undemokratisches Design ist zum einen Design, das seine eigene Unveränderbarkeit behauptet. Tatsächlich ist es sehr interessant, sich das Design undemokratischer Regierungen anzuschauen. Hierbei geht es immer um Einheit, auch um Reinheit und einen gemeinschaftlichen Essentialismus. Undemokratisches Design ist für mich darüberhinaus aber auch noch das Design von Grenzen und deren Befestigung, wie Mahmoud Keshavarz das treffend analysiert hat. Mindestens genauso interessant wie undemokratisches Design ist aber post-demokratisches Design, wie ich es in meinem Buch beschreibe. Das ist ein Design, in dem die Bestreitbarkeit von Entscheidungsfindungen verloren geht ebenso wie die Bedeutung formals Differenzen. Dieses post-demokratische Design hat auch viel mit unserer differenzübersättigten Gegenwart in den Sozialen Medien zu tun.


Wer sollte dein Buch lesen?

Ich habe dieses Buch ja aus einer ganz bestimmten Perspektive geschrieben. Ich selbst bin Kommunikations- und Grafikdesigner und versuche auch immer, mich mit diesen Tätigkeiten politisch zu engagieren. In der Auseinandersetzung in dem Buch geht es mir darum, viele der Eigenschaften, die dem Design immer als unpolitische Schwäche ausgelegt werden, wie beispielsweise seine Oberflächlichkeit, aber auch seine praktische Zweckgebundenheit, als Stärke dezidiert politisch auszudeuten. Somit würde ich es natürlich allen Designer:innen empfehlen, weil das Buch eine Verteidigung der politischen Dimension ihrer Tätigkeit ist.

Dr. des. Felix Kosok ist Designwissenschaftler und Grafikdesigner. Felix Kosok hat 2020 an der HfG Offenbach zur ästhetisch-politischen Dimension des Designs bei Prof. Dr. Juliane Rebentisch promoviert. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt in den Bereichen Designästhetik sowie politisches Grafikdesign. Neben der Forschung ist er mit dem 2015 in Frankfurt gegründeten studio069 selbst gestalterisch tätig. Für seine Arbeiten hat Felix Kosok bereits viele Auszeichnungen erhalten. Seit 2020 ist Felix Kosok Dozent für Transformation and Innovation im Bereich Creative Leadership an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HNKW) Berlin. Felix Kosok ist Mitglied im Deutschen Designer Club, in der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und Forschung und in der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Seit 2019 ist Felix Kosok im Vorstand des Offenbacher Kunstvereins Mañana Bold.

Foto © Robert Schittko


Typischerweise schreibt man Bücher nach einer Präsidentschaft. Was soll jetzt noch kommen?;-)

Ferien wären toll! :)

Vielen Dank für das Gespräch!


Website: www.studio069.com
Instagram: @felix_studio069
Buch: www.transcript-verlage.de