Feels like Hessen

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Von der Schule auf die ganz große Bühne: Finn Heine

Der 20-jährige Finn Heine aus Frankfurt ist als Gitarrist ein aufstrebendes Talent in der deutschen Jazzszene, wie es sie selten gibt. Schon während der Gymnasialen Oberstufe studierte er am renommierten Dr. Hoch’s Konservatorium Jazz und Popularmusik. 2022 wurde er in das "Composers Fellowship Programm" der WDR Big Band mit Florian Ross und Vince Mendoza aufgenommen und spielte bereits mit Größen wie Nils Landgren, Max Mutzke und Martin Grubinger. Im Interview mit "Feels like Hessen" erzählt uns Finn, wie er den Jazz zum Zentrum seines Lebens gemacht hat, wie es ist, mit einem Bus voll jazzbegeisterter Profi-Musiker:innen abzuhängen und er verrät uns seine Lieblingsclubs im Frankfurter Raum.

Text: Lucas Muth
Datum: 21.04.2023
Fotos: Noelle Schaub

Nach seinem langjährigen Einsatz beim Landesjugendjazzorchester (LJJO) Hessen vertritt Finn seit diesem Jahr das Land Hessen im Bundesjugendjazzorchester (Bujazzo). Mit seiner Combo “Quartertone” trat er sogar schon für den Bundespräsidenten im Schloss Bellevue auf und spielt bei der “Jazzopen Stuttgart 2023”.

Wie ist die Musik in dein Leben gekommen?

Musik war eigentlich schon immer Teil meines Lebens. Ich habe früh angefangen, auf allen möglichen Dingen herum zu trommeln, mit meinem Vater Luftgitarre zu Deep Purple zu spielen. Mein Onkel, der Gitarrenlehrer ist, hat mir früh die Gitarre in die Hand gedrückt. In der Grundschule hatte ich dann den ersten klassischen Gitarrenunterricht, aber schon damals wollte ich unbedingt E-Gitarre spielen. Ein ganz wichtiger Schlüsselmoment war das Konzert von Cory Henry und der HR-Bigband in der Alten Oper Frankfurt 2015. Das Konzert faszinierte mich auf vielen Ebenen und inspirierte mich dazu, Jazz zu erkunden und zu verstehen. Nicht nur seitens des spielerischen Könnens fand ich das Konzert großartig, mich hat vor allem der  “Klangkörper Bigband” fasziniert und musikalisch sehr geprägt.

Und wie ging es dann weiter? Wann kam dann das Landesjugendjazzorchester dazu?

Ich habe extrem viel geübt! Je mehr ich mich mit Jazz beschäftigte, desto mehr habe ich gemerkt, dass diese Art der Musik voll und ganz mein Ding ist. Auf der Suche nach weiteren Inspirationen und Unterrichtsmöglichkeiten bin ich auf das Landesjugendjazzorchester und das Dr. Hoch`s Konservatorium in Frankfurt gestoßen. Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung war für mich klar, dass ich den Traum einer Profimusiker-Karriere mit Vollgas verfolgen möchte.

Du hast auch schon während deiner Schulzeit Musik studiert am Dr. Hochs Konservatorium in Frankfurt. Wie war das für dich?

Es war super anstrengend. Mir war es wichtig das Abitur zu machen und neben der Schule den tollen Input meiner Dozent*innen wie Martin Scales oder Anke Helfrich zu nutzen und mich so intensiv wie möglich mit Musik zu beschäftigen. Beides gut zu meistern war oft nicht leicht und eine echt große Herausforderung. Trotzdem war diese Zeit für mich total prägend und hatte einen großen Einfluss auf mich als Musiker und als Person.

Du bist jetzt ins Bundesjugendjazzorchester aufgenommen worden, das läuft jetzt über zwei Jahre. Wie ist das Feeling in der Band?

Es ist ein spannender, konzentrierter und inspirierender Vibe dort. Man merkt einfach, dass jeder die Musik so sehr liebt wie man selbst und das verbindet einen sofort. Die Mitmusiker:innen, die Gäste und Dozent*innen bilden einen riesigen Inspirations-Pool, aus dem man ganz viel Kraft, Motivation und viele Ideen für seine eigene musikalische Entwicklungen ziehen kann. Die Konzert Tourneen unter anderem nach Montenegro und Ecuador, die bevorstehenden spannenden Gigs wie beispielsweise in der Elbphilharmonie und vielen anderen tollen Locations geben einem einen tollen Einblick in die Welt eines Profimusikers.

© Tim Gotta

Du hast neben dem Bundes- und Landesjugendjazzorchester auch noch diverse andere Bandprojekte. Mit deiner Band Quartertones hast du im vergangenen Jahr bei der Bundesbegegnung von Jugend Jazzt mitgemacht und im Januar erst vor dem Bundespräsidenten gespielt. Als Preis gab es außerdem einen Auftritt bei den Jazz Open in Stuttgart im Juli. Wie ist die Geschichte von Quartertone?

Quartertone hat sich kurz vor Corona gegründet mit dem Ziel, bei Jugend Jazz mitzumachen und es hoffentlich zur Bundesbegegnung zu schaffen. Durch Corona haben wir ganz viel Musik zusammen machen können und dann gemerkt, dass wir total gut zusammenpassen. Quartertone hat sich dann sehr schnell von einem Jugend Jazz Projekt zu einer richtigen Band entwickelt. Durch den Preis der Jazzopen Stuttgart, wo wir für Brandford Marsalis und Arthuro Sandoval den Abend eröffnen werden, ist natürlich nochmal ein richtiger Schub in das Kreative-Schaffen der Band gekommen. Wir haben unsere erste Platte fertig geschrieben und gehen jetzt im Mai ins Studio, um diese endlich auf den Markt zu bringen. Ganz besonders stolz sind wir auf spannende Feature Gäste, die ich jetzt noch nicht verraten möchte.

Und wie läuft das Schreiben dann ab?

Manchmal setze ich mich bewusst an den Schreibtisch, um zu komponieren, manchmal nehme ich unterwegs Melodien oder Klangvorstellung auf und beschäftige mich erst eine Woche später nochmals mit der Idee. Dann überlege ich, was die Idee eigentlich ausmacht und wie man sie weiterführen kann. Das wirklich besondere am Komponieren sind meiner Meinung nach nämlich nicht die Ideen sondern die Art und Weise wie man mit seinen Ideen arbeitet, diese verbindet, arrangiert, orchestriert und weiterentwickelt. Durch das Composer-Fellowship-Programm der WDR Bigband muss man Kompositionen und Arrangements fertigstellen, da wir jede Woche Feedback zu unseren Stücken bekommen und mit diesen alle 2-3 Monate vor der der WDR-Big Band stehen. Komponieren ist eigentlich wie ein Instrument erlernen: sich wagen neue Dinge aus zu probieren und vor allem mit anderen Musiker:innen die Stücke spielen. Je mehr man das macht desto flüssiger werden die Stücke, die man schreibt und desto mehr macht es auch Spaß, die Musik dann zu spielen.

Du hast noch ein anderes Bandprojekt, “Discovery Collective”, die stilistisch nochmal ein bisschen anders verortet ist. Mit dieser Band hast du bei den Leverkusener Jazztagen 2022 den Future Sound Wettbewerb gewonnen. Was zeichnet den Sound von Discovery Collective aus?

Die Wurzeln von Discovery Collective liegen schon ziemlich weit zurück. Ich habe die Band mit dem Drummer Colin Schulte ursprünglich als Duo gegründet. Das war sehr spannend, weil wir ziemlich schnell unseren eigenen Sound gefunden haben: eine Mischung aus traditionellen und modernen Elementen mit ausgefallenen Grooves, synthetischen und organischen Sounds. Für den Future Sounds Preis der Leverkusener Jazztage haben wir die Band „Discovery Collective“ mit Darius Blair am Tenor Saxophon, dem Bassisten Baruna Dhimas und aktuell Hannes Weidauer an der Trompete zusammengestellt.

Wie wichtig ist es dir, beim Musikmachen Freiheit zum Experimentieren zu haben?

Ich finde, bei Musik ist es immer spannender, wenn man sich breiter aufstellt. Deswegen ist Jazz auch so spannend, weil er so vielseitig ist. Es sind immer wieder neue Dinge entstanden und immer wieder hat man neue Dinge entdeckt, weil der Horizont dieser Musikrichtung so unendlich weit ist. Und ich merke immer wieder, wenn ich mich mit Jazz beschäftige, dass dann auch die Popmusik, die ich schreibe, viel tiefgründiger und spannender wird. Und deswegen liebe ich es auch, ganz viele unterschiedliche Musikrichtungen verschmelzen zu lassen, nach neuen Elementen zu suchen und die Freiheit zu experimentieren.

Und was sind deine anderen Musikprojekte?

Neben Quartertone und Discovery Collective habe ich noch zwei sehr spannende Projekte. Das ist einmal Mikio, eigentlich ein Duo, bei dem ich mit Alex Born, einem super Sänger, Komponisten, Pianisten und Schlagzeuger hier aus Frankfurt zusammenspiele. Wir versuchen mit unserem Jazz-Background tiefgründige Popmusik zu machen. Dieses Jahr kommt unsere erste Single raus und man kann uns am 6. Juli das erste Mal im Liebighaus-Garten sehen und hören. Und ich habe noch so eine Art “Weltmusik-Projekt”. Es ist mit dem indonesischen Bassisten, Baruna Dhimas und Khadim Seck, einem Percussionisten aus Afrika. Hier treffen viele unterschiedliche Kulturen aufeinander und das prägt die Musik sehr. Ich finde es immer spannend, die Kulturen, neue Klänge und neue Vorstellungswelten kennenzulernen und mich davon inspirieren zu lassen.

Du bist mit deinen Projekten auch viel international unterwegs. Wie sehr nimmst du Jazz auch als Brücke zu anderen Kulturen wahr?

In dem gerade beschriebenen Projekt habe ich gemerkt, dass Jazz definitiv eine Brücke zu allem anderen ist. Also sowohl zur Musik aus Afrika als auch zu der ganz eigenen Klanggestaltung in Indonesien. Jazz verbindet doch alles und ist eine ganz besondere Art der Kommunikation.

Du vertrittst das Land Hessen jetzt auch im Bundesjugendjazzorchester. Was bedeutet das für dich?

Als ich mich im Januar beworben habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich aufgenommen würde. Es ist einfach eine gigantische Möglichkeit und eine Riesenchance. Allein dieser Pool an Inspiration und Motivation sowie den verschiedenen Interessen und Ideen bringt einen unheimlich weiter.   

Was steht bei dir dieses Jahr dann alles an ?

Im Mai nehmen wir z.B. die erste Quartertone Platte auf, im September dann die erste Discovery Collective Platte. Da freue ich mich sehr darauf. Später im August arbeiten wir mit Nikki Iles, einer englische Komponistin, zusammen. Ich bin ein großer Fan von ihrer Musik und ich bin sehr gespannt auf die Probenarbeit. Ansonsten finden ganz viele spannende Konzerte mit Quartertone, Discovery Collective, Mikio, der WDR Bigband oder dem Bundesjugendorchester statt. Da freue ich mich riesig drauf! (Alle Konzerte von Finn findet ihr ganz unten auf der Seite)

Welche Jazz-Locations (oder generell Kulturorte) kannst du Frankfurter:innen und Nicht-Frankfurter:innen empfehlen?

Jazz Montez macht einen super Job! Gerade die Reihe “Holidays” ist spannend gewesen letztes Jahr. Jedes Wochenende tolle Acts und dann das Ganze noch Outdoor direkt am Main, das war toll. Oder das El Barrio beim Museumsuferfest. Das Jazz-Institut in Darmstadt ist auch eine sehr schöne Location und es gibt immer tolle Konzerte. Die Milchsackfabrik in Frankfurt ist sehr spannend, gerade auch für moderneren Jazz. “Jazz im Palmengarten” ist toll und einfach eine super Location. Und ich gehe auch gerne in die Alte Oper oder auch ins Schauspiel Frankfurt.


Finns Konzerte 2023:

24. Juni Quartertone - Jazz Baltica
30. Juni LJJO Hessen - Wiesbaden
06. Juli Quartertone, Discovery Collective, Mikio - Liebighaus Garten
14. Juli Quartertone - Jazzinstitut Darmstadt CD Release Party
16. Juli Quartertone / Arthuro Sandoval / Brandford Marsalis - Jazzopen Stuttgart
09. August Milchsackfabrik Frankfurt
11.-15. August Bujazzo Tour Montenegro
26. August Bujazzo Nikki Illes - Bielefeld, 05. September WDR Big Band - Funkhaus, Köln
10.-13. September Bujazzo Nikki Illes - Bonn
15. September Discovery Collective - Glattbacher Jazztage
22., 23., 24. September Bujazzo Jiggs Wigham - Ahaus
30. September Quartertone - Jazzfestival, 16.-20. Oktober Bujazzo Ansgar Striepens - Philharmonie Berlin
16.-20. Oktober Bujazzo Ansgar Striepens - Philharmonie Berlin  
26. Oktober WDR Big Band - Kölner Philharmonie
09. November Discovery Collective / Bill Frisell / John Scofield - Leverkusener Jazztage Guitar Night
02. Dezember Bujazzo Ansgar Striepens - Elbphilharmonie Hamburg
23. November LJJO Hessen X-mas Moments with Friends - Kurhaus Wiesbaden

Zu Finns Homepage geht’s hier entlang: https://www.finn-heine.com/