ISO 069: Lorica

ISO 069: Lorica

Loricas Sounds sind treibend und melodisch, er weiß, ein Gefühl zu komponieren und lässt sich sowohl beim Produzieren als auch bei Live-Gigs von seiner eigenen Stimmung sowie der Crowd leiten und mitreißen. Sein Stil ist ambient, sowohl technisch als auch organisch, und verknüpft verschiedene Genre miteinander, um einen vorausschauenden und emotionalen Klang zu kreieren. Für eine neue Ausgabe der Foto-Serie ISO 069 treffen wir Ian in seinem Studio in Frankfurt und erfahren: Seine eigenen Kompositionen reflektiert er ebenso kritisch wie die Entwicklung der aktuellen elektronischen Musikszene in 069.

Fotos: @wilhelm.obj

Wie ist denn dein Eindruck der Klubmusik und -szene in Frankfurt heute? Gibt es aktuelle Trends, die besonders hervorstechen?

Ich finde, dass es momentan leider sehr eingeschränkt ist. Frankfurt war schon immer eine teure Stadt und Covid hat der Klubszene nicht geholfen. Für all den Ruhm und Prestige, die die Stadt nach außen präsentiert, gibt es viel mehr, was gemacht werden könnte. Es fehlt an Orten, wo junge Leute oder LGBTQI-Personen Experimente wagen können, ohne horrende Ausgaben oder finanzielle Verluste zu machen. Manche Crews wie GG Vybe oder die Aktivistin Nikki on Fleek haben es mit ihren Arbeiten geschafft, kleine Communities aufzubauen, also ist es sicherlich möglich, mit sehr viel Mühe was in Frankfurt zu machen. Aber ich finde, dass es Hürden gibt, die andere Stimmen und Perspektiven noch unterdrücken und fern halten und die Entstehung von fruchtbaren Szenen hindern. Leider gibt es auch nicht so wirklich Orte, wo diese Energien nachhaltig gebündelt und gepflegt werden können. Was so allgemeine Trends angeht finde ich, dass es vereinzelte Personen und kleine Kollektiven gibt, die gegenwärtige Musik präsentieren und spielen wie z.B. SK Libra, GG Vybe, Nikki On Fleek, Febi und Anna Hjalmarsson. Ich bin immer neugierig zu hören, was sie vorhaben und spielen!


Gibt es noch so etwas wie diesen Sound of Frankfurt oder ist das längst Stoff fürs Museum?

Wenn es ein „Sound of Frankfurt“ gibt, dann ist er am Willy-Brandt-Platz zu hören. Afro-beats, Techno, Drill, Operetten und viel mehr hört man dort in der Sommerzeit. Frankfurt ist von Kollisionen und rauen Kontrasten bestimmt und in dieser Hinsicht typisiert der Willy-Brandt-Platz die Stadt selbst. Sicherlich hat kein Club in Frankfurt ein größeres Monopol auf den „Sound of Frankfurt“.

 
 

Worum geht es dir bei deiner Musik? Was treibt dich an?

Im Prinzip will ich einfach was Schönes machen! Ich knüpfe mich ganz bewusst an die Musikgattungen und Künstler:innen, die mich geprägt haben und versuche, eine Musik zu schaffen, die aber dennoch nach vorne schaut. Öfters will ich ein Gefühl von „Räumlichkeit“ und „Historie“ erzeugen. Die Stücke, mit denen ich am meisten zufrieden bin, evozieren für mich (und hoffentlich auch Zuhörer:innen) bestimmte Orte, real und „fiktional“, deren Atmosphäre und Beschaffenheit, sowie deren Geschichte und Vergänglichkeit. Auch in meiner Art von „funktionaler“ Club-Musik versuche ich, Musik zu schreiben, die die Gegebenheiten von dem Club Kontext ausnutzt, um Parallelwelten zu schaffen und starke emotionale Reaktionen hervorzurufen.

Kannst du uns einen kleinen Einblick geben, wie du deine Sets vorbereitest?

Wenn ich DJ Sets für Partys oder Club-Veranstaltungen vorbereite, schaue ich erst mal, worauf ich Lust habe. Dementsprechend suche ich dann auch die Musik für einen Abend aus. Sicherlich spielt der kulturelle oder soziale Kontext auch öfters eine Rolle, welche Musik ich dann spielen werde. Es kann manchmal sehr fruchtbar sein, ein Publikum bewusst herauszufordern oder extreme Gegenüberstellungen von Genres oder Tempi zu inszenieren. Aber vieles fliegt aus dem Fenster, wenn man dann im Moment Entscheidungen trifft, eine Party einfach Spaß macht und man das Vertrauen von Zuhörer:innen gewonnen hat. Dann ist alles sowieso nur noch Instinkt und Freude.
Bei Live-Sets oder Konzerten geht es dann viel mehr um meine Stimmung und wie ich mich gerade fühle, ästhetisch sowie psychologisch. Wenn ich an neuer Musik arbeite, werden Live-Sets genutzt, um Ideen auszuprobieren oder neue Richtungen auszuloten. Hier ist es mir dann sehr wichtig, dass ich meine Musik so gut wie möglich präsentiere. Dennoch wird nicht alles durchgeplant und ich lasse auch Raum offen für „glückliche Fehler“ und Momente, in denen ich selbst vielleicht nicht weiß, wie ich handeln soll oder wo alles hinführen wird.

Was steht bei dir als Nächstes an?

Momentan spiele ich sehr viel Klavier und sammle Ideen für neue Projekte. Mein letztes Release war von den Klangfarben und Formen her auf die entferntesten Ecken der Klubmusik konzentriert bzw. fokussiert, aber ich glaube, dass ich vielleicht wieder weniger konkret komponieren und produzieren werde. Es ist eine sehr diffuse und amorphe Zeit und ich bin mir momentan nicht sicher, ob Klub-geprägte Formen mir das geben können, wonach ich mich gerade sehne. Aber wer weiß! Ich versuche mich gerade auch nicht zu festzulegen. Ansonsten habe ich eine Radiosendung auf der Frankfurter Plattform EOS – da habe ich eine Menge spannende Gäste dieses Jahr gehabt und werde auch in den kommenden Monaten versuchen, das Niveau gleich hoch zu halten!

 
 

Kurzbiographie

Ian Rodriguez ist ein Künstler, Produzent und Komponist. Seine Arbeit als Lorica (und zuvor als Avbvrn) filtert eine chirurgische Aufmerksamkeit für Details und Sounddesign durch einen weitreichenden Ansatz für Atmosphäre und die räumlichen Qualitäten von Musik. Die daraus resultierenden Werke beschwören dramatische, lebendige und fühlbare Klanglandschaften herauf, die an klassische Formen und Techniken erinnern und gleichzeitig auf zeitgenössische Texturen und Ansätze zu Rhythmus und Erinnerung zurückgreifen. Seine Klang-, Video-, Performance- und visuellen Arbeiten unterstreichen das Interesse an Themen wie Ökologie, Interdependenz, die Vergänglichkeit der Dinge, unsere Beziehung zur Geschichte, unsere Erfahrung der Natur und Überlegungen zur Fragilität.

 

Listen: soundcloud.com/ubinas
Follow: @lorica____

 

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