Einfach mal Farben mischen
Rita Fürstenau liebt unkonventionelle Comics und den Austausch mit anderen Kreativen. Noch als Studentin gründete sie deshalb in Kassel den Rotopol Verlag, der jungen Zeichnern eine Plattform bieten soll. Heute, rund zehn Jahre später, ist aus dem studentischen Projekt ein erfolgreicher Verlag geworden.
Text: Sarah Kempf
Foto: Rotopolress
Wenn das leuchtend gelbe Schild mit der Aufschrift „ROTOPOLPRESS“ und die bunte Schaufensterauslage Neukunden anlocken, ahnt Rita Fürstenau schon, was passiert. Die Menschen nehmen knallbunte Bücher und Magazine in die Hand, Leporellos, Klebetattoos oder Skizzenhefte. In ihrem Verlag Rotopol erscheinen Comics und andere Werke, die sie selbst „besonders spannend“ findet: Sie sollen sich durch einen persönlichen Stil und eine experimentelle Erzählweise auszeichnen, eigensinnig und unkonventionell sein. Die Verlegerin fasst es zusammen als „Bücher, die den Nerv ansprechen.“ Ihre Erfahrung ist, dass sich Menschen dafür leicht begeistern lassen. Immer wieder werden aus Neukunden Stammkunden, die ihr sagen: „Ich hätte nie gedacht, dass ich abends mal einen Comic lesen würde.“
Angefangen hat alles 2007, als Rita Fürstenau an der Kunsthochschule Kassel (KHK) Visuelle Kommunikation studierte. Sie wollte sich mit anderen jungen Illustratoren, Zeichnern und Designern auch außerhalb der Hochschule austauschen und deren Projekte vorstellen. Eine passende Anlaufstelle fand sie damals nicht, denn in Deutschland gab es noch keinen Verlag für grafisches Erzählen. So gründete sie selbst mit zwei Kommilitonen den Rotopol Verlag. In der Friedrich-Ebert-Straße fand sie die passenden Räume, die als Büro, Werkstatt und Laden dienen und die ein langer Flur verbindet. Dort finden wechselnde Ausstellungen statt.
Neben den KHK-Studenten fand Rita Fürstenau im Laufe der Zeit bei Messen und Festivals andere Künstler, zunehmend aus dem europäischen Ausland. Mit dem Erfolg kam mehr Arbeit, aber auch Erleichterung. Die früheren Geschäftspartner stiegen nach sieben Jahren aus, um sich ganz auf das Zeichnen zu konzentrieren. Mittlerweile unterstützt eine neue Co-Verlegerin Rita Fürstenau, im Frühjahr soll die erste Mitarbeiterin anfangen. Im Juni 2018 ging der mit 15.000 Euro dotierte Hessische Verlagspreis an Rotopol. „Die Auszeichnung ist ein Qualitätssiegel. Wir werden jetzt im Buchhandel anders wahrgenommen, die Kommunikation ist leichter“, sagt sie. Außerdem biete ihr das Preisgeld die Möglichkeit, größere Projekte zu planen.
An der Grundidee von Rotopol hat sich derweil nichts geändert. Die Künstler werden stark in die Planung eingebunden und sprechen mit den Verlegerinnen ab, welches Papier und welche Bindung ein Buch haben soll. Das Programm des Verlags können sie mitgestalten und Veranstaltungen initiieren. Auch der Standort des Verlags soll der alte bleiben. Rita Fürstenau ist überzeugt von Kassel. „Hier hat sich viel getan in den letzten zehn Jahren“, sagt sie. Es gebe eine große und schöne Kunst- und Kulturszene. Man kennt sich untereinander, und durch die KHK bleibe die Nähe zu jungen Künstlern. Außerdem überzeige die Stadt mit niedrigen Mieten und einer guten Infrastruktur, gleichzeitig sei man schnell im Grünen. In der Natur findet Rita Fürstenau Ruhe – dort und in ihrer Werkstatt, in der sie ihrer liebsten Arbeit nachgeht: „Da kann ich einfach mal Farben mischen.“