Wheels on Steel
Eine kleine Werkstatt in einem unscheinbaren Hinterhof zwischen Hafen- und Ostpark lässt Radfahrer-Herzen höher schlagen: Bei Krömer handmade steel frames entstehen maßgefertigte Traumräder aus Stahl. Sie sind robust, langlebig, schick, nachhaltig (zehn Jahre Garantie, noch Fragen?) – und überraschend leicht. Der Stahl kommt aus Mailand, die Vermessung macht das Radlabor Frankfurt, die Pulverbeschichtung ein Fachmann aus dem Taunus. Krömer versteht sich nicht als Ein-Mann-Unternehmen, sondern setzt auf Vernetzung und Regionalität. Seit einem halben Jahr wird Namensgeber und Rahmenbauer Eduard Krömer bei Vertrieb und Kundenservice von Marlon Helm unterstützt. „Unsere Arbeit ist leidenschaftsgesteuert“, so der studierte Maschinenbauer. Wir haben Eddie und Marlon in ihrem Domizil am Danziger Platz zum Gespräch getroffen.
Interview und Text: Laura Sprenger
Fotos: Paul Kremershof
Eddie, wie kommt’s, dass du seit acht Jahren Maßräder aus Stahl baust?
Bevor ich angefangen habe, hatte ich ein Fahrradgeschäft in München. Dort bin ich verstärkt auf Custom-Aufbauten gegangen und hatte einen Maßrahmenbauer aus Polen. Über den und durch meine sportliche Aktivität im Bikepolo bin ich relativ schnell zu meinem ersten Maßrahmen gekommen. Da war dieser Wow-Effekt – das ist schon eine ganz andere Liga. Die Paarung mit der Begeisterung fürs Handwerk und dass ich nach fünf Jahren Fahrradladen ein bisschen mehr wollte, hat dann ergeben, dass ich losgezogen bin. Ich wollte in die weite Welt hinaus und das Rahmenbauen erlernen. So weit bin ich nicht gekommen, statt in Amerika habe ich es in Somerset an der Bicycle Academy gelernt.
Dann ist eins zum anderen gekommen: Irgendwann kam ein Anruf aus Frankfurt, dass sie unbedingt einen Schrauber brauchen und ein Rahmenbauer in der Nähe Unterstützung brauchen könnte. So bin ich hier gelandet, habe relativ schnell meine eigene Firma aufgezogen und mit viel learning-by-doing eigene Räder gebaut. Über die Bikepolo-Szene hatte ich anfangs, ohne werben zu müssen, sehr viele Aufträge. Das war die ersten vier, fünf Jahre meine Butter aufs Brot und dann sind erst die anderen Aufträge dazugekommen.
Jetzt bin ich seit ein paar Jahren imstande, dir ein High-End-Rennrad zusammenzubauen. Das kannst du am Anfang nicht, da musst du dich hinarbeiten. Je mehr an ein Rad drankommt, desto mehr muss man sich reinfuchsen und ein bisschen engineeren. Wenn es aufwändiger wird und Kreativität gefragt ist, ist das für mich das Spannendste an dem Job. Genauso abwechslungsreich sind die Kunden: Neulich hatte ich einen Maschinenbauer, der hatte seine komplette Geometrie maßstabsgetreu aufgemalt, kam hierher mit einer technischen Zeichnung und es war vollkommen verrückt, was der wollte. Aber eben auch spannend.
Könnt ihr beziffern, wie viele Arbeitsstunden in einem aufwendigen Rad stecken?
Zwischen 30 und 40 Stunden. Ich brauche eine gute Woche für ein Rad, wenn nichts dazwischen kommt und ich sonst keine Verpflichtungen hätte. Ich bin zu 50 Prozent alleinerziehend, manchmal fehlt die Freiheit, nach hinten raus unbegrenzt arbeiten zu können. Die Wochen, in denen ich bis um 23 Uhr hier stehen kann, sind extrem wichtig.
Deutschlandweit gibt es nur ungefähr 20 Rahmenbauer. Kennt man sich da untereinander?
Bedingt. Die alte Riege von Rahmenbauern, die auf die Ü60 zusteuern, sagt man ein bisschen nach, dass sie eher ihr Ding gemacht haben, so ‘old man in the cave’. Die junge Szene möchte es anders machen. In Berlin gibt es viele Rahmenbauer, die untereinander vernetzt sind. Wir wollten das auch bundesweit generieren, hatten unser erstes Rahmenbauer-Treffen angesetzt und schlag war die erste Coronawelle da.
Seid bzw. wart ihr vor der Pandemie auch auf Fahrradmessen unterwegs?
Ich habe das anfangs zweimal gemacht, aber kosten-nutzen-technisch hat’s sich nicht wirklich gelohnt. Die VeloFrankfurt war aber eine lustige Messe, da habe ich überhaupt nicht reingepasst. Das ist eine Elektrorad- und Cargobike-Messe, und ich hatte diesen Schraubstock da stehen und an einem Rahmen rumgefeilt. Die Leute haben sich bei mir ausgeruht, die hatten genug von den Beachflags und Verkäufertypen im Polohemd – aber die waren halt nicht auf der Messe, um sich einen Maßrahmen bauen zu lassen. Tarek Al-Wazir war da, mit dem habe ich kurz gebabbelt – also von den Gesprächen her war’s total cool. Bei der Eurobike im Sommer wollen wir eher Rahmenprogramm machen mit der SUN NO SKIN Crew (ehemals Gelato Riding Crew, Anm. d. Red.): Eine gute Party schmeißen, damit die Leute, die sich auf der Messe den Mund trocken geredet haben, sich die Kehle befeuchten und ein bisschen netzwerken können.
Spielt Frankfurt für eure Arbeit eine Rolle, oder könntest du das überall machen?
Das ist schon ziemlich ideal hier. Du hast viele Bürotürme, du hast einen Speckgürtel, du hast unglaublich viele Pendler, die reindrücken. Wenn du von denen nur einen gewissen Prozentsatz aufs Fahrrad kriegst, muss nur noch die Infrastruktur stimmen. Das kommt immer mehr. Im Moment ist das Thema zwar vorrangig Gravel, aber wir versuchen, das mehr in die Allroad-Richtung zu drücken. Mein Herz schlägt eigentlich für sogenannte Commuter-Räder, die tiptop funktionieren, mit denen du eine Strecke wie Darmstadt – Frankfurt mit richtig Spaß fährst. Ich glaube, hier in der Region wird mein “Steckenpferd” mit dieser urbanen Mentalität bald ein bisschen in Gang kommen.
Welche Auswirkungen hat Corona denn auf eure Arbeit?
Schon erstmal krass negative. In der ersten Welle hat die Fahrradindustrie natürlich die Weichen in die falsche Richtung gestellt, weil sie die Produktion gedrosselt und dadurch die Verknappung verstärkt hat. Tatsächlich habe ich von Ausbruch der Pandemie bis zum Sommer alte Aufträge abgearbeitet, dann kam nichts mehr rein. Zum Glück hatte sich bei mir eine neue Werkstatt-Situation eingestellt, also habe ich mein Zeug Mitte Juni erstmal auf Paletten gepackt und bin für zweieinhalb Monate in Sommerurlaub gefahren.
Als ich wiedergekommen bin und mich in meiner neuen Werkstatt eingerichtet habe, kam die erste Order-Phase, da ist es richtig eingeschlagen. Eingefleischten Fahrradfahrenden ist dieser Mainstream-Trend, den Corona verursacht hat, glaube ich ein bisschen zu viel geworden – die wollten dann wieder ein Alleinstellungsmerkmal. Wenn du auf einmal hundert Räder vom gleichen Hersteller in der gleichen Farbe in deinem Stadtteil rumfahren siehst, dann hast du darauf vielleicht nicht mehr so viel Bock und kommst zu uns.
Im Moment sind wir in dem glücklichen Zustand – wenn du ein bisschen flexibel bist und jetzt nicht sagst, es muss dieser Steuersatz sein –, dass wir mit einem Komplettrad schneller sind, als wenn du dir bei den großen Versendern eins bestellst. Wir bauen dir ein Stahlrad auf Maß in unter fünf Monaten. Und, was ich auch mal noch sagen muss: Dieser Spruch mit den “schweren Knochen” ist genauso blöd wie das Vorurteil, dass ein Stahlrahmen automatisch schwer ist.
Was ist der schönste Moment bei eurer Arbeit?
Eigentlich der Moment, wenn der Kunde seine erste Ausfahrt mit dem Rad gemacht hat und dann die Rückmeldung kommt. Wenn ich mit den Händen arbeite, bin ich mit dem Kopf die ganze Zeit beim Kunden. Wenn ich am Rahmen arbeite und rumschleife, denke ich: Boah, hoffentlich sieht er das. Am Ende ist es ein schmutziger und schlecht bezahlter Job, aber die Zufriedenheit und das Strahlen vom Kunden ist die Belohnung, die uns vorantreibt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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