Frankfurter Start-Up verbindet KI und Qualitätsjournalismus
Kompreno, ein Wort aus der Kunstsprache Esperanto: “Verständigung, Verständnis, Wissen, Sinn.” Wie viel besser würden wir doch das aktuelle Zeitgeschehen verstehen, wenn wir täglich Zugriff auf die großen europäischen Tageszeitungen hätten. Genau das ermöglicht kompreno. Aus mehr als 25 Medien, 14 Ländern und ursprünglich zehn Sprachen bietet die Plattform mithilfe von KI übersetzten Qualitätsjournalismus, natürlich auch auf deutsch. Ein Gespräch mit dem Frankfurter Gründer Jochen Adler über Sprachbarrieren, neue Technologien und die Möglichkeit, sprachliche Brücken in und für Europa zu bauen.
Text und Bilder: Lucas Muth
Datum: 16.02.2024
Jochen Adler hat ursprünglich Spiele entwickelt und Musik produziert, ist dann aber “abgebogen” in Richtung einer Karriere als Unternehmensberater, Innovationsmanager und Partnermanager. Mit der Gründung von kompreno kehrt er zu seinen Leidenschaften zurück und wurde dafür soeben von der Bundesregierung als Kultur- und Kreativpilot ausgezeichnet.
Paul Maibach ist UX-Designer und Web-Entwickler, er wohnt im Taunus. In seltener Kombination vereint er ein scharfes Auge für ästhetisches Design mit einem untrüglichen Gespür für technische Lösungen, die sofort funktionieren und skalieren. Er verantwortet bei kompreno die Technik – und das einzigartige digitale Leseerlebnis.
Giuseppe Menditto ist in Rom geboren und aufgewachsen, wo er auch heute noch lebt. Er unterstützt Napoli, hat unter anderem in Würzburg interkulturelle Philosophie studiert und in Amsterdam ein Online-Magazin für die italienische Expat-Community mitverwaltet. Perfekte Voraussetzungen, um jetzt für kompreno die Qualität der Partner und die redaktionelle Auswahl zu verantworten.
"Wir leisten einen Beitrag zur Überwindung der Sprachbarrieren und geben Europa eine Stimme in der Welt."
– Jochen Adler über die idealistischen Motive hinter der Gründung von kompreno.
Was ist kompreno?
Als ich am Flughafen oder Bahnhof vor dem internationalen Presseregal stand, dachte ich mir oft: "Wie faszinierend wäre es, wenn man verstehen könnte, was in der Welt passiert?" Jetzt gibt es dafür kompreno – ein persönlicher Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Du kannst dir aus verschiedenen Quellen vom gesamten europäischen Kontinent deinen persönlichen Informationsmix zusammenstellen, je nachdem, was dich interessiert. So kannst du zum Beispiele Le Monde auf deutsch lesen – oder brand eins deinem italienischen Freund empfehlen, und zwar direkt auf italienisch.
Wie kam es dann von der Vision zur Gründung von kompreno?
Da ich nicht aus dem Journalismus komme, brauchte ich ein gutes Netzwerk und Mitstreiter. Ich habe technologische Experimente durchgeführt und Demos gebaut, um zu zeigen, was möglich ist. Viele Leute haben gesagt, dass ich es einfach machen soll. Mit viel Rückendeckung ging es los – und es hat funktioniert! Meine Motivation ist stark von meiner Überzeugung als Europäer geprägt. Frankfurt als Standort im Herzen Europas ist für mich faszinierend. Europa bietet nicht zuletzt die rechtlichen und steuerlichen Grundlagen, die wir brauchen, um unser Vorhaben schnell erfolgreich umzusetzen.
Wie sieht die technische Seite hinter kompreno aus?
Ich bin eher ein konzeptioneller Typ und brauchte von Anfang an Paul, der jetzt auch Mitgründer ist. Er hat das Talent, Sachen nicht nur zu visualisieren, sondern auch technisch umzusetzen. Die ersten Prototypen hat hauptsächlich er gebaut. Giuseppe ist auch im Team, er hat interkulturelle Philosophie studiert und ist im internationalen Journalismus gut unterwegs. Wir drei sind das Kernteam, das jeden Tag an kompreno arbeitet. Wir sind auf einem klaren moralischen und ethischen Fundament gestartet und vertrauen nicht zu 100% auf die Technik.
Ihr übersetzt aus 14 Ländern in fünf Sprachen – gibt es dann auch jeweils Personen aus den Sprachen, die übersetzt werden, die das dann auch noch mal prüfen?
Wir sind noch nicht so breit aufgestellt, aber wir haben Sprach- und Technikkompetenz genug, um den Inhalt der Partnerzeitungen "oberflächlich" zu verstehen. Und wir haben Muttersprachler*innen, die maschinell erstellte Übersetzungen ggf. korrigieren können. Das ist auch sehr wichtig.
“In fünf Jahren stelle ich mir vor, dass wir eine Art Kreislaufwirtschaft für journalistische Inhalte geschaffen haben.”
– Mit kompreno wollte Gründer Jochen Adler mehr als eine Übersetzungsdienstleistung anbieten.
Wie hat das mit euren Partnern und den Verlagen angefangen?
Es war eine lange Reise. Ich habe von Anfang an mit Medienvertreter:innen und Entscheider:innen gesprochen und unseren Pitch angepasst. Wir konnten fast 30 Partner gewinnen, aber haben bewusst das Wachstum etwas gebremst, um dafür die Abonnements zu steigern. Für unsere Medienpartner erschließen wir neue Zielgruppen und Absatzmärkte, außerdem überzeugt unser Pitch durch Partnerschaftlichkeit und Kooperation. Die Sprachbarrieren zu überwinden, schafft einen neuen Marktplatz und verhindert gleichzeitig eine Kannibalisierung im deutschen Markt.
Mit welcher Systematik übersetzt ihr? Und wie wählt ihr eure Themen aus?
Die Rolle von Paul für die Technik und von Giuseppe für das redaktionelle Angebot ist zentral. Giuseppe ist für die inhaltliche Qualifizierung der Partner verantwortlich, um sicherzustellen, dass sie solide recherchieren und publizieren. Das ist ein Gütesiegel, das wir für uns beanspruchen. Das Auswahlverfahren wird momentan noch manuell durchgeführt, aber wir nutzen KI zur Unterstützung und verbessern kontinuierlich unsere Personalisierung, um den Nutzer:innen Artikel vorzuschlagen, die wirklich zu ihren Interessen passen.
Wie stellt ihr sicher, dass die Medien, die ihr auswählt, journalistisch seriös arbeiten? Gerade bei den kleineren Zeitungen?
Wir haben viele Gespräche mit Medienhäusern geführt, um unsere Grenzen zu definieren und nicht zu opportunistisch zu sein. Selbst renommierte Medien müssen selbstkritisch reflektieren und einen hohen journalistischen Standard einhalten. Die technologischen Entwicklungen und Social Medias haben meine Sorgen verstärkt, daher ist kompreno jetzt ein Gegenbeispiel, wie Technologie richtig eingesetzt werden kann. Wir leisten einen Beitrag zur Überwindung der Sprachbarrieren und geben Europa eine Stimme in der Welt.
Welche Rolle spielt der Datenschutz in eurem Konzept?
Wir halten uns an strenge Datenschutzrichtlinien und achten darauf, dass unsere journalistischen Inhalte frei von Werbung sind. Wir betreiben keinen Datenhandel und beschränken Tracking aufs Nötigste. Es ist wichtig, dass guter Journalismus angemessen finanziert wird, um die Qualität zu erhalten und nicht von Werbung abhängig zu sein.
Was bedeutet es für euch, jetzt für Hessen als Kreativpiloten von der Bundesregierung ausgezeichnet zu werden? Was für Ziele habt ihr euch vielleicht angesichts dessen vorgenommen?
Die Auszeichnung als Kreativpilot von Hessen durch die Bundesregierung ist eine Anerkennung für unsere Arbeit und zeigt, dass wir Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft sind. Obwohl ich ursprünglich aus der Softwarebranche komme, fühle ich mich nun emotional noch mehr mit der Kreativszene verbunden und freue mich darauf, weiterhin innovative Projekte umzusetzen.
Hast du einen Traum für kompreno?
In fünf Jahren stelle ich mir vor, dass wir eine Art Kreislaufwirtschaft für journalistische Inhalte geschaffen haben, bei der Texte ihr Publikum dort finden, wo sie gebraucht werden, unabhängig von Sprach- und Kulturgrenzen. Unsere Idee basiert darauf, hochwertige Inhalte dorthin zu bringen, wo sie einen Nutzen stiften können, und ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, dieses Ziel zu erreichen.