Der Klangmacher

Für einen Sounddesigner ist Vogelgezwitscher nicht überall gleich. Der Gesang mitteleuropäischer Vögel unterscheidet sich von dem Südasiens. Auch das Ticken von Ampeln in Frankfurt klingt anders als in Toronto. Es sind Details, die in die Schaffung einer authentischen Klangwelt einfließen. Kerthekan Balasubramaniam ist ein solcher „Klangmacher“. Der 29-jährige Sounddesigner aus Frankfurt befasst sich mit allem, was zur Klang- und Tonwelt eines Films gehört. Dabei geht es nicht nur um Geräusche, sondern darum, was mit Ton geschaffen werden kann: Atmosphäre, Emotionen und Storytelling. Wir haben Kerthekan in seinem Tonstudio Royal Blue Audio besucht.

Interview und Fotos: Hannae Kim

 
 

Hey Kerthekan, erzähl uns doch mal etwas über dich und deinen Werdegang.

Ich bin in Frankfurt aufgewachsen und entdecke schon früh meine große Liebe zur Musik, besonders durch die karnatische Musik Südasiens. Diese führte mich zum Studiengang Sound and Music Production an der Hochschule Darmstadt. Während meines Auslandssemesters in Australien entdeckte ich meine Leidenschaft für die Audio-Postproduktion, dort sammelte ich meine ersten Erfahrungen in der lokalen Filmindustrie. Nach meinem Bachelorabschluss und Arbeitserfahrungen in Deutschland, entschied ich mich für ein Aufbaustudium im Bereich Sound Design for Visual Media in Vancouver, Kanada. Hier entschied ich mich, weitere 4,5 Jahre in der Filmindustrie Erfahrungen zu sammeln, die mich dann im September 2023 zurück nach Deutschland brachte.

Wie bist du zum Sound Design gekommen? Was findest du daran spannend?

Aus meiner Leidenschaft für Musik, Gesang und Bildende Kunst entwickelte sich ein Interesse für Sound Design. Seit meiner frühesten Kindheit waren Klänge ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Ich hatte das große Glück, meine Leidenschaft zu meinem Beruf machen zu können. Es ist immer wieder ein unglaubliches Vergnügen für mich, neue Klänge zu finden, aufzunehmen, zu verändern und sie in Produktionen wiederzuverwenden, um Geschichten zu begleiten und Emotionen hervorzuheben. Doch es ist auch eine Herausforderung, die richtige Harmonie oder Disharmonie zu finden, um den Hörer zu lenken. Vielen ist die Tiefe einer Klangwelt nicht bewusst, die sie dennoch an der Hand führt – doch dort steckt die unbeschreibliche Schönheit des Sound Designs.

An welchen Produktionen hast du bereits gearbeitet?

Die großen Produktionen, an denen ich in verschiedenen Teams arbeiten durfte, sind Horizon Zero Dawn, Sonic Prime, Dragonprince, Ninjago und Cocomelon. Aber die Arbeit, auf die ich am meisten stolz bin, sind die Projekte, die ich mit einer kompletten Audio-Postproduktion begleiten durfte, indem ich bei Bedarf ein dynamisches Sound Team zusammenstellen konnte. Als Sounddesigner und Mischtonmeister ist es für mich besonders wichtig, in direktem Kontakt mit Produzenten und Regisseuren zu stehen, um aus deren Bildern, Geschichten und Emotionen das passende Soundscape abzuleiten. Titel wie Ray of Hope (Regie: Nikki Cole, Ryan Singh), It happens to us (Regie: Anubhav Singh) und Zip (Regie: Ava Maria Safai) sind Produktionen, die mich besonders geprägt haben.

 
 
Es ist immer wieder ein unglaubliches Vergnügen für mich, neue Klänge zu finden, aufzunehmen, zu verändern und sie in Produktionen wiederzuverwenden, um Geschichten zu begleiten und Emotionen hervorzuheben.
— Kerthekan über seine Arbeit als Sounddesigner
 

Worauf achtest du besonders bei deiner Arbeit?

Bevor ich mit der eigentlichen Sound Design Arbeit beginne, beschäftige ich mich gerne mit dem Drehbuch, dem Thema der Produktion, Referenzen und einer guten Recherche. Oft muss ich nach regionalen Natur- und Industriegeräuschen suchen und mich mit gesprochener Sprache auseinandersetzen, damit die zu entwickelnde Geräuschkulisse authentisch wirkt. Dabei stellen sich mir auch Fragen wie „Welche Vögel überwintern in Deutschland?“ oder „Wie klingen die Fußgängerampeln in Toronto?“. In meiner Arbeit und auch in der finalen Mischung sind Detail und Dynamik meine wichtigsten Bausteine, um eine Geschichte und deren Emotionen abwechslungsreich zu präsentieren.

Woher schöpfst du Inspirationen und Ideen?

In einer Zeit, in der wir Zugang zu einer Fülle von Informationen haben, finde ich meine Inspiration hauptsächlich in Podcasts sowie in Interviews und Analysen zu Sound Design. Besonders Mark Mangini und Richard King zählen zu meinen wichtigsten Inspirationsquellen. Ich liebe es, mich mit anderen Sounddesignern zu treffen, sei es zu einem Video-Call oder einfach auf einen Kaffee, um inspirierende "Sound Nerd Talks" zu führen. Seit ich in die Welt des Sounds eingetaucht bin, analysiere ich bei jedem Medium, das ich mir anschaue, das Sound Design und die Mischung, um daraus zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Deshalb schaue ich Filme aus verschiedenen Perioden und Ländern an, da international die Audio Post Produktion vielfältige Entstehungsgeschichten hat.

Worin liegen die Unterschiede für Sounddesigner zwischen Film, Musik und reinen Sprachaufnahmen?

Wenn es um Sound Design und Tonmischung geht, habe ich eine klare Regel: "Dialogue is King". Egal wie beeindruckend der Ton und die Musik sind, der Dialog muss immer klar und verständlich sein. Nach dem gesprochenen Text kommt die musikalische und klangliche Dimension, die aus der Musik und der Tonnachbearbeitung besteht. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Elemente nahtlos ineinander übergehen. Die Abstimmung mit dem Komponisten hilft dabei, dass sich die Frequenzbereiche nicht überschneiden und die Klangwelt harmonisiert. Der Film selbst ist für mich wie eine leere Leinwand. Die Geschichte, die Handlung und die Emotionen geben vor, wo bestimmte Klangelemente platziert werden müssen, um die Momente mit einem fließenden Soundscape (= Klanglandschaft) zu untermalen.

Woran erkennt man gutes und schlechtes Sound Design?

Sound Design ist ein Teilbereich der Audio-Postproduktion. Es umfasst eine Vielzahl von Elementen wie Dialogbearbeitung, Sound Editing, Sound Design, Foley (die Nachstellung von alltäglichen Sounds) und Mischung, die gemeinsam eine Geschichte untermalen. Wenn ich von gutem Sound Design spreche, meine ich eine Produktion, die kreativ, innovativ und detailreich ist sowie jede Szene mit den richtigen Klängen und einer gewissen Tiefe zum Leben erweckt. Schlechtes Sound Design fällt mir vor allem dann auf, wenn etwas stört oder nicht richtig passt. Das kann passieren, wenn es an Ressourcen, Erfahrung oder Kreativität mangelt, z.B. bei einem begrenzten Budget oder einem experimentellen Ansatz, der nicht gut umgesetzt wurde. Letztendlich ist die Beurteilung auch immer eine persönliche Meinung, die von individuellen Vorlieben und Standards geprägt ist.

 
 

Du warst viel international unterwegs – was hat dich wieder nach Frankfurt gebracht?

Nach 4,5 Jahren in der lebendigen Filmindustrie von Vancouver, wo ich enorm viel gelernt habe, fühlte ich mich bereit für einen nächsten Karriereschritt. Die Balance zwischen Arbeit und Familie fehlte mir jedoch in dieser schnelllebigen Umgebung. Besonders das Aufwachsen meiner Nichte und meines Neffen in Frankfurt konnte ich kaum miterleben. Zusätzlich bietet mir der deutsche Filmmarkt nun mit meinen Erfahrungen auch neue Chancen. Also entschied ich mich, nach Frankfurt zurückzukehren, um näher bei meiner Familie zu sein und beruflich durchzustarten!

Wohin soll die (Sound-)Reise gehen? Was sind deine Ziele für einen Neustart in Frankfurt?

Ich möchte die Internationalität meiner Arbeit erweitern. Als Kind von Flüchtlingen ist es mein Traum, durch Audio Menschen aus verschiedenen Kulturen zu bereichern und ihnen zu helfen, in der Welt zu resonieren. In Frankfurt möchte ich diese Vision verstärken, indem ich eine starke Community im Filmbereich aufbaue, die Vielfalt und kulturelle Perspektiven feiert und gemeinsam Projekte realisiert, die Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenbringen.

 
 

Weitere Informationen zu Kerthekan findet ihr auf seiner Homepage.
Kerthekan auf Instagram folgen.