Dopamin und dope Beats
Das hessische Wirtschaftsministerium fördert sieben “Serious Games” mit insgesamt 325.000€. Was haben die Games aus Hessen auf dem Kasten? Wir nehmen sie unter die Lupe und haben mit einem Entwicklerteam gesprochen. Die Digitalagentur COSALUX aus Offenbach arbeitet zusammen mit dem MOMEM – Museum of Modern Electronic Music in Frankfurt an einem Serious Game, bei dem man spielerisch Techno Hymnen und House Banger erkunden, zerlegen und remixen kann. Im Artikel erfahrt Ihr alles über das Game “Tetra Musicus”. Das Spiel setzt auf innovatives, belohnendes Gamedesign, damit das Lernen spielerisch leicht von der Hand geht.
Ihr habt eine längere Geschichte mit Serious Games. Wie fing alles an?
Alexander: Vor längerer Zeit haben wir ein Serious Game für eine Ölbohrplatform gemacht, wo via Virtual Reality verschiedene Sicherheitspraktiken vermittelt wurden. Das ist natürlich noch ein ganzes Stück ernster als Tetra Musicus, aber auch da ist ein ernsthafter Gedanke dabei: Wir wollen ein didaktisches Werkzeug sein, das nicht so daherkommt. Wenn ein Spiel Spaß macht, dann hilft das maßgeblich dem Lernprozess.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem MOMEM?
Alexander: Wir arbeiten schon seit 6 Jahren mit dem MOMEM zusammen. Wir sind deren Digitalpartner und haben vieles schon umgesetzt. Gerade sind wir am planen und ausbauen der ersten Ausstellung, die im April 2022 öffnen wird. In der Stadt wird es über mehrere Tage hinweg ein Eröffnungsfest geben. Wir wollen aber nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch den Platz vor dem MOMEM transformieren, interaktiver gestalten. So kamen wir dann dazu, dass wir ein Spiel zu elektronischer Musik machen wollten.
Was ist eure persönliche Beziehung zum Projekt und zu elektronischer Musik?
Alexander: Ganz früh in der musikalischen Erziehung ist bei mir irgendwas richtig schief gelaufen. Ich hatte immer Probleme mit Notenlesen in der Schule. Im Orchester durfte ich nur Triangel spielen. Das ist demotivierend, vor allem für Kinder. Später habe ich dann bei Spielen wie Guitar Hero gemerkt, dass man Musik auch spielerisch vermitteln kann. Das war auch eine große Motivation für unser Serious Game.
Wie kann ich mir Tetra Musicus vorstellen?
Stanko: Das Spiel funktioniert sehr intuitiv. Alles läuft über das Smartphone. Man scannt einfach einen QR-Code am Eingang des Museums und dann geht es los. Im ersten Schritt wird man zum aktiven Hören angeregt und bekommt einen Song vorgespielt. Danach gibt es die Möglichkeit, sich ein Kurzinterview mit dem Künstler oder der Künstlerin anzusehen, die ihre Inspiration, ihren kreativen Prozess oder ihre Instrumente und Hardware vorstellen. Als Drittes kommt der große Test: “Jetzt musst Du den Song reproduzieren. Ich hoffe, Du hast gut zugehört!”
Auf spielerische Art kann man dann den ganzen Song nachbauen. Man muss bestimmte Punkte treffen und so Rhythmusgefühl beweisen. Anders als bei bekannten Rhythmusspielen wie Guitar Hero geht es jedoch nicht nur darum, eine Melodie nachzuspielen. Stück für Stück erkundet man den ganzen Song. In verschiedenen Sequenzen spielt man Teile des Songs nach: Die Percussion, die Bässe, die Melodie. Im besten Fall setzt sich am Ende alles zusammen und es klickt. Der Aha-Effekt: Musik ist etwas magisches, aber Musikmachen ist nicht Raketenwissenschaft.
Alexander: Tetra Musicus ist ganz bewusst ähnlich aufgebaut wie ein DAW, also eine Software zum Musikmachen. Es soll zeigen, dass ein Einstieg in die Musikwelt nicht umfassendes theoretisches Wissen erfordert und dass Musikmachen am Computer durchaus auch Spaß macht. So lassen sich Eintrittshürden senken. Gleichzeitig wird so jungen Menschen mehr musikalisches Selbstbewusstsein eingehaucht, das ihnen vielleicht im Musikunterricht nicht vermittelt wurde.
Wie gestaltet sich denn die Arbeit an “Tetra Musicus” für Euch?
Alexander: Wir brauchen wirklich die “Urform” des Songs. Das heißt in den meisten Fällen müssen wir einen Song in seine Einzelteile zerlegen und dann wieder zusammenpuzzeln. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber es macht auch unheimlich Spaß. Wir stehen dabei im direkten Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern und lassen uns dadurch anleiten. Gleichzeitig spiegelt dieser Prozess natürlich auch unser Spiel, bei dem man einer ähnlichen Tätigkeit nachgeht.
Stanko: Und der wunderbare Nebeneffekt des Spiels ist dann, dass man einen Referenzpunkt hat, jedes mal wenn im Radio mal wieder Techno läuft. Man hört aktiv zu, fragt sich, wie dieser Song produziert wurde und finden so vielleicht einen anderen Zugang, eine andere Wertschätzung für Musik.
Es geht aber nicht nur darum, Songs zu rekonstruieren. Ihr gebt den NutzerInnen auch die Möglichkeit, selbst kreativ zu werden. Wie sieht das aus?
Stanko: Man kann selbst zum DJ werden und den Song remixen, den man gerade gehört hat. Während die Rekonstruktion eher Feinmotorik braucht geht es beim Remixen darum, Kreativität zu beweisen. Man bekommt ein digitales Mischpult an die Hand gegeben, mit dem man die Songs der Techno Legenden nach eigenem Belieben bearbeiten kann.
Alexander: Und hier kommt dann der Gemeinschaftsaspekt hinzu. Uns war es wichtig, dass Tetra Musicus einen sozialen, interaktiven Charakter hat. Deswegen darf die ganze Community über ihre Lieblingsremixes abstimmen. Daraus bilden wir dann die MOMEM Top 100 Charts, in der die besten Remixes verewigt werden. Sobald das MOMEM öffnet, kann man live mitverfolgen, wie der eigene Remix in den MOMEM Charts abräumt. Für die Spitzenreiter gibt es dann sogar einige Preise, wie zum Beispiel Freikarten für das MOMEM, damit man auch mal vor Freunden angeben kann. Oder ein Treffen mit dem Künstler oder der Künstlerin, die man geremixed hat.
Was sind die Schwierigkeiten dabei, ein Serious Game zu machen?
Alexander: Es ist eine harte Gratwanderung. Anfangs haben wir für die Rekonstruktion der Songs eine Mechanik verwendet, die Tetris sehr ähnlich ist. Nach langem testen haben wir das endgültig verworfen. Ein Serious Game muss herausfordernd und spannend sein, gleichzeitig darf es aber auch nicht zu komplex oder zu schwierig werden, um die Eintrittsbarrieren für alle Menschen gering zu halten. Spaßig, aber nicht trivial. Das ist unser Ziel.
Serious Games sollen etwas beibringen, aber im Kern sind sie eben doch noch Spiele.
Alexander: Genau. Wir haben Guitar Hero wirklich komplett außeinandergenommen, jede einzelne Spielmechanik analysiert, und darauf aufgebaut. Denn ohne eine konkrete Mechanik, ohne Anreize und ohne den kleinen Dopaminschub, wenn man eine besonders schwierige Passage meistert, macht das Spiel weniger Spaß und man ist weniger motiviert zu lernen.
Welche Anwendung von Serious Games seht Ihr in der Zukunft?
Ich würde mir wünschen, dass Serious Games in der Bildung eingesetzt werden, vor allem auch in der musikalischen Frühschulung. Ich finde es schwierig, 6, 7 Jahre alten Kindern Noten beizubringen, anstatt das Musikmachen selbst. Ich denke, wenn wir die Möglichkeit hätten, solche Tools in der Schule anzuwenden, dann wären wir einen großen Schritt weiter.
Liebes COSALUX-Team, vielen Dank für das Gespräch! Wir sind schon gespannt auf die Eröffnung des MOMEM und die Premiere von Tetra Musicus.
Alexander: Im April 2022 ist es hoffentlich soweit und das MOMEM öffnet seine Pforten. Bis dahin feilen wir an dem Spiel, bis es perfekt ist!
Website: www.cosalux.com
Instagram: @cosalux_official
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