Tante Emma goes digita

Tante Emma goes digita

Heute im Netz bestellen und wenige Stunden später lokale Produkte bekommen. Das ist das Konzept der Onlineplattform Kiezkaufhaus aus Wiesbaden. Initiiert wurde die Idee 2014 von der Werbeagentur Scholz und Volkmer, zwei Jahre später ging die Seite online. Seitdem pesen regelmäßig Lastenradfahrer mit Lebensmitteln, Blumen oder Haushaltswaren von Wiesbadener Einzelhändlern durch die Landeshauptstadt. Ein Gespräch mit Nanna Beyer, Leiterin des Unternehmens, über Kiezkultur und das Schreckensgespenst Amazon Fresh.

Interview: Pauline Schinkels
Foto: Kiezkaufhaus
 

Q: Euer Onlineshop erinnert an einen hipperen Tante-Emma-Laden. Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen?

A: Die Idee ist während einer Weihnachtsfeier entstanden, also zu einer Zeit in der besonders viele Pakete im Internet bestellt und von sonst woher geliefert werden und meist noch super aufwendig verpackt sind. Weil wir nur Produkte von lokalen Einzelhändlern beziehen, läuft das Bestellprozedere wesentlich umweltfreundlicher ab, die Lieferwege sind viel kürzer und wir unterstützen dabei noch den kleinen Laden ums Eck. 

Q: Wie wählt ihr die Einzelhändler aus, die ihr auf der Website bewirbt?

A: Das wichtigste ist natürlich, dass sie aus Wiesbaden sind. Wir sagen immer es sollten Läden sein, um die es schade wäre, wenn es sie nicht mehr gebe. Alte Manufakturen, die eine kleine Garagenproduktion unterhalten, es darf auch ein bisschen dawanda-mäßig angehaucht sein, wir bieten beispielsweise im Kiezkaufhaus auch selbstgemachte Kinderspielware an.

Q: Dass ihr in Wiesbaden ausliefert, verrät der Name erst einmal nicht. Kiezkaufhaus klingt eher nordisch.

A: Das stimmt, der Name sorgt auch immer wieder für Diskussionsstoff. „Kiez“ klingt für viele nach Berlin oder Hamburg, ein bisschen nach Rotlicht und nicht unbedingt nach lokalen Produkten aus Hessen. Auf der anderen Seite vermittelt der Begriff genau das Gefühl urbaner Kultur, worauf die Leute auch hier Lust haben.

Q: Eigentlich seid ihr eine reine Onlineplattform. Seit Kurzem habt ihr in der Wiesbadener Innenstadt aber auch ein Geschäft.

A: Wir hatten in den letzten Wochen einen Pop-Up-Store, in dem wir die Produkte von lokalen Herstellern verkauft haben, die wir auch auf der Internetseite anbieten, Lebensmittel, Weine, Spielsachen oder Bücher. Aus dem kurzlebigen Pop-Up-Konzept wird aber jetzt ein richtiger Laden. Das Theater Wiesbaden überlässt uns einen seiner Büroräume. Gerade haben wir die Mietverträge unterschrieben. Hinten im Laden stehen noch die Schreibtische der Dramaturgen.

Q: Rentiert sich das Konzept denn mittlerweile?

A: Nein, wir schreiben noch keine schwarzen Zahlen. Dafür ist die Anzahl der Bestellungen, so etwa fünfzehn am Tag, noch immer zu gering. Mit dem Laden wird sich das hoffentlich ändern. Wir sind jetzt deutlich präsenter und direkt vor Ort. Hier im Wiesbadener Kiez lässt sich das Konzept auch viel leichter erklären.

Q: Der Lebensmittellieferdienst Amazon Fresh soll bald flächendeckend in Deutschland starten. Macht euch das Sorgen?

A: Nein, die werden eher mit größeren Lebensmittelhändlern wie Rewe konkurrieren. Wir arbeiten hauptsächlich mit lokalen Fachhändler zusammen, die einfach teuerer als die herkömmlichen Discounter sind. Amazon Fresh spricht da eine ganz andere Zielgruppe an.

Q: Wenn es nach euch geht, gibt es bald ein zweites Kiezkaufhaus.

A: Ja, wir möchten das Ganze als Social-franchise-Konzept etablieren. Wir bieten dann die Infrastruktur wie die Homepage und das Design gegen ein Entgelt an. Mit der Stadt Berlin finden gerade erste Gespräche statt. Die finden den Namen natürlich super.

Adresse:
Kiezkaufhaus

Wilhelmstraße 47
65183 Wiesbaden
www.kiezkaufhaus.de


Lieblingsorte von Nanna Beyer für…

…Freunde: Die Kaiser-Friedrich-Therme
www.wiesbaden.de/microsite/mattiaqua/kaiser-friedrich-therme/ 

…Familie: Schloss Freudenberg
www.schlossfreudenberg.de

…Touristen: Immer schön ist ein Besuch des Nerobergs, von hier oben hat man eine tolle Aussicht auf die Stadt