Talking Hands: Gebärden greifbar machen
Gebärdensprache lernen – und dabei Spaß haben? Genau das ist die Idee von Talking Hands, einem Start-up aus Frankfurt, das mit Daumenkinos und interaktiven Lernmaterialien neue Wege in der frühkindlichen Sprachförderung geht. Die Gründerinnen Maria Möller und Laura Mohn haben es sich zur Aufgabe gemacht, Sprachbarrieren abzubauen und Kindern, mit oder ohne Behinderung, eine neue Form der Kommunikation zu ermöglichen. Wie entstand die Idee? Was macht ihre Produkte so besonders? Und welche Pläne hat das Team für die Zukunft? Wir haben mit Maria Möller über ihr außergewöhnliches Start-Up gesprochen.
Text: Lucas Muth
Fotos: Lucas Muth & Talking Hands
Datum: 10.01.2025
Wie entstand die Idee zu Talking Hands – den Daumenkinos für Gebärden?
Meine Mitgründerin Laura hat eine Schwester mit Downsyndrom. Kinder mit Downsyndrom haben oft eine Sprachentwicklungsverzögerung und lernen spät sprechen. Gebärden helfen ihnen jedoch, sich zu verständigen – sei es mit Eltern, Freunden oder Lehrern. So können sie z. B. mitteilen: „Ich muss auf die Toilette“ oder „Ich will schlafen“. Laura hat sich in ihrer Abschlussarbeit mit Trisomie 21 beschäftigt und festgestellt, dass es wenig kindgerechte Lernmaterialien für Gebärden gibt. Viele Materialien sind kompliziert und wenig ansprechend. Die Idee war daher, Daumenkinos zu nutzen, um Bewegungen anschaulich darzustellen und das Lernen spaßig zu machen. 2019 erstellte Laura erste Daumenkinos mit 100 Gebärden aus dem Grundwortschatz für Kinder – von Familienmitgliedern über Lebensmittel bis hin zu Tieren.
Wie ging es dann weiter?
Nach Lauras Abschluss haben wir gemeinsam beschlossen, aus der Idee ein Unternehmen zu machen. Besonders die positive Resonanz aus einer Testkita in Frankfurt bestärkte uns. Ende 2019 haben wir uns entschieden, zu gründen, und uns Anfang 2020 bei einem Accelerator-Programm der Goethe-Universität beworben. Dort haben wir die Grundlagen des Unternehmertums gelernt und unser Konzept ausgearbeitet. Im Oktober 2020 war es dann so weit: Talking Hands wurde offiziell gegründet.
Was macht eure Produkte so besonders?
Unsere Materialien sind nicht nur für Kinder mit Behinderungen gedacht, sondern für alle Kinder. Gebärden können auch bilingualen Kindern oder solchen mit Sprachverzögerungen helfen. Wir haben den Grundwortschatz mittlerweile auf 230 Gebärden erweitert und entwickeln unser Angebot ständig weiter – etwa durch eine App, Lernspiele oder Puzzles. Der Fokus liegt immer darauf, das Lernen interaktiv, multisensorisch und spielerisch zu gestalten.
Wie reagiert die Zielgruppe auf eure Produkte?
Die Resonanz ist durchweg positiv. Eltern, Pädagog:innen und sogar Kinder selbst berichten, dass das Lernen mit unseren Produkten eigenständig und mit Freude geschieht. Besonders in Kitas, in denen viele Kinder mehrsprachig aufwachsen, dienen Gebärden oft als Brücke zwischen verschiedenen Sprachen. Sie geben Kindern die Möglichkeit sich auszudrücken und verringern so Frustration.
Wie stellt ihr sicher, dass die Gebärden korrekt dargestellt werden?
Wir arbeiten eng mit der Berliner Gebärdensprachschule „Gebärdenservice“ zusammen. Andreas Costrau, der Gründer, ist selbst gehörlos und Dozent. Er erstellt Videos mit den Gebärden, die wir dann als Grundlage für unsere Animationen nutzen. Alle Darstellungen werden von ihm geprüft, bevor sie in Druck oder die App gehen.
Wie geht ihr mit dialektalen Unterschieden bei der Gebärdensprache um?
Auch in der Gebärdensprache gibt es Dialekte. So unterscheiden sich manche Gebärden z. B. zwischen Bayern und Berlin. Wir verwenden die standardisierte deutsche Gebärdensprache und machen regionale Unterschiede auf unserer Website transparent.
Wie plant ihr die Zukunft von Talking Hands?
Wir möchten uns zunächst in Deutschland etablieren und unser Wissen dann nutzen, um international zu expandieren – z. B. in die USA, wo Gebärden in der frühkindlichen Erziehung bereits bekannter sind. Langfristig soll Talking Hands als Marke für spielerisches Lernen mit Gebärden weltweit anerkannt sein.
Welche Rolle spielt Frankfurt für euch?
Frankfurt ist unsere Heimat und hat uns während der Gründungsphase sehr unterstützt. Wir haben von Programmen der Goethe-Universität profitiert und konnten Förderungen vom Land Hessen nutzen, wie z. B. für die Entwicklung unserer App. Zudem schätzen wir das lokale Netzwerk aus Start-ups und anderen Akteur:innen, mit denen wir uns austauschen können. Ohne diesen Support wäre vieles schwieriger gewesen.
Abschließend: Was ist eure Vision?
Unsere Vision ist es, dass Gebärdensprache ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags wird – nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für alle. Wir wollen Barrieren abbauen und das Lernen zu einem positiven Erlebnis machen.
Alle Infos zu Talking Hands findet ihr hier.